still, 2006/2007
Transmedia-Echtzeitinstallation
für die Bartholomäuskapelle, Paderborn
3 Beamer, 6 Lautsprecher, 1 Computer und Live-Elektronik
6-kanalige Klang-Installation
Projektion: ca. 18 x 4,5 m
im Kontext der Ausstellung
'Tatort Paderborn - Irdische Macht und himmliche Mächte'
17. Mai - 2. September 2007
still
Im Zentrum der historischen Stadt, im Kreuzungspunkt der maximalen Längs- und der maximalen Querausdehnung zwischen Dom und Pfalz liegt die Bartholomäuskapelle. Außen von unscheinbarer Erscheinung zeigt der wie ein Zentralbau wirkende, leere Innenraum eine stille Feierlichkeit. Einst mit Malereien und Tapisserien geschmückt, ist er heute gefüllt mit dem durch die farblosen (neuen) Fenster eindringenden natürlichen Licht und den Geräuschen der Stadt. Diese Leere und Fülle, Ruhe und Bewegung erzeugen dabei keine Spannung. Es scheint vielmehr, als sammle dieser besondere Ort die Energie der Stadt, enthalte diese wie eine Batterie, gäbe sie wie ein pulsierendes Kraftzentrum ab, sie gleichzeitig wieder aufnehmend.
Die Bartholomäuskapelle bildet einen jener besonderen Räume, in denen die Stille nicht leer ist, sondern voll, alles enthaltend, auch Gegensätze und Widersprüche zu einem lebendigen Ganzen vereinend.
Die Videoprojektion still gibt dieser Art Stille für die Dauer der Ausstellung ein künstlerisches Bild. Eine dynamische, sich unaufhörlich wandelnde Foto- und Klangcollage durchwebt den Raum. Die Grundlagen der Bilder und Klänge sind Fotos und O-Ton-Aufnahmen aus Paderborn. Dabei stehen nicht die einzelnen Sequenzen im Vordergrund, sondern deren Ineinandergreifen, Miteinanderschwingen, Mischen und Vermischen mit dem Kapellenraum. Alle fünf Minuten werden zwei vom Computer gewählte Bilder und Klänge bearbeitet. Die grundsätzlichen Abstraktions- und Bewegungsvorgänge sind festgelegt. Innerhalb dieser Parameter aber entwickelt sich die Bild-Klang-Collage frei. Bis zu hundert Bildebenen können sich in Echtzeit horizontal und/oder vertikal überlagern, Fotos fragmentiert, skaliert und gespiegelt werden, ihre Proportion vom Streifen bis hin zum Strich verändern, Frequenzen verkürzt und gedehnt werden. Dies hat zur Folge, dass es während der mehr als 100-tägigen Dauer der Installation keine identische Bild-Klang-Sekunde geben kann.
"Indem das der Stadt entnommene Material in den Mediationsraum der Bartholomäuskapelle einfließt und sich zu Energieströmen verwandelt, entsteht nahezu die Anmutung einer licht- und farbdurchfluteten gotischen Kirche. Die sich nunmehr selbst erschaffende Klang-Bild-Inszenierung gestaltet ein Kontinuum von Innen- und Außenraum, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die tektonische Struktur der Kapelle vervielfältigt sich mehrdimensional in einer Erfahrung von Synästhesie. Die durch die beiden Künstler gesetzten Grenzen visualisieren einen Prozess der Grenzüberschreitung, in dem die eigentlich unversöhnlichen Ebenen der Transzendenz und der Immanenz in wechselseitiger Verschränkung zugänglich werden. In den Worten Ernst Blochs lässt still sich wahrnehmen als Licht gebender Funke und Sinnhorizont im "Dunkel des gelebten Augenblicks", als Vorschein des Utopischen."
Christoph Kivelitz in: Tatort Paderborn, Ausstellungskatalog 2007
siehe auch:
>> www.paderborn.de/tatort-paderborn
>> eine Sequenz
>> eine andere Sequenz